Donald Trump Staffel 2 – die in den USA beliebte Serie wird fortgesetzt

Das Handeln/Verhalten von Präsident Trump – der Kürze halber DT – wird oft als „transactional“ bezeichnet. Das besagt nicht viel, wenn man es sich nicht klarmacht, was es NICHT bedeutet. „Transaction“ ist ein Geschäftsvorgang, eine abgeschlossene Handlung. Die Vorstellung hinter ihr ist die des in sich geschlossenen Vorgangs, ohne weitere Voraussetzungen und ohne Berücksichtigung der Folgen. Einen Vertrag vor einem Notar abzuschließen wird so bezeichnet, die Unterzeichnung eines Kaufvertrags und die Abwicklung seiner Vereinbarungen ebenso. „Transactional“ heißt „in solchen Kategorien denkend“. Trump denkt nicht als Politiker, der alle Handlungen als Teil des Lebens einer staatlich geordneten Menschengruppe sieht, auch nicht als Jurist, der den Vorgang in seinem Zusammenhang des geltenden Rechtssystems versteht (als „legal“ oder „illegal“), gewiss nicht als Anhänger eines ethischen oder religiösen Systems.

Trump redet zwar von Gott, wenn er sich als von dieser Denkfigur auserwählt und besonders geschützt betrachtet. Aber das ist nur wie Lametta oder Glaskugeln auf einem Weihnachtsbaum: Es ist nur oberflächliches Dekor. Seine Handlungen versteht DT nicht als Ereignisse in einem politischen, ethischen oder auch nur realen System, das unabhängig von ihm existierte. DT kennt dementsprechend keine ihn bindenden ethischen, juristischen oder philosophischen Normen oder Gesetze. Es gilt nur das, was er vereinbart hat. „Ich sage dir, was ich haben will, und wie ich dich dazu zwingen werde, es mir zu geben. Wenn du dich fügst, gebe ich dir vielleicht auch etwas. Diese Vereinbarung gilt aber nur so lange, wie sie mir gefällt.“ Das ist NICHT die Gedankenwelt des Geschäftsmanns (ich verwende überall das generische Maskulinum, „Geschäftsmann“ kann also jedes beliebige Geschlecht haben). Ein Geschäftsmann weiß, dass ein Geschäft im Normalfall den gegenseitigen Vorteil der Beteiligten beabsichtigt, und es sich nur wiederholt, wenn der gegenseitige Vorteil auch eintritt. Die Hühner haben viele Eier gelegt, die Bäuerin will sie nicht alle selbst verbrauchen und trägt daher ihren Überschuss zum Markt, wo sie sie gegen ein allgemeines Tauschmittel – also Geld – oder einen konkreten Tauschgegenstand, z. B. Geräte, Kleidung, oder sonst etwas, das sie zu benötigen glaubt, eintauscht. Die Partner des Vorgangs und die Modalitäten der Vereinbarung sind in ihren Entscheidungen frei.

DT denkt anders. Er sieht auf einer Landkarte Grönland, findet das groß und daher attraktiv (vielleicht hat ihm auch ein Berater gesagt, dass es strategisch oder wirtschaftlich nützlich sein kann) und DT entscheidet: Das will ich haben. Also erklärt er seine Absicht, es zu kaufen. Als er erfährt, dass es zu Dänemark gehört und Dänemark es nicht verkaufen will, stellt er militärische Gewalt in Aussicht. Bei Kolumbien und Kanada hat er mit wirtschaftlicher Gewalt gedroht: auf Exportgüter der beiden Staaten. Es ist völlig falsch, dies als „Geschäft“ zu verstehen. Dem Vorgang fehlt völlig das Merkmal des gegenseitigen Vorteils. Denn der Ertrag, der DTs „Partner“ zufällt, besteht nur darin, dass der einen Schaden, den DT sich ausgedacht hat und der nur durch DTs Handeln zustande kommt, abgewendet wird. Ein Gangster, der Schutzgeld erpresst, tut genau das Gleiche. Denn er schützt nicht vor anderen, konkreten Gefahren, sondern nur vor der Gewaltanwendung durch den Bezieher des Schutzgeldes. Der Erpresste gewinnt NICHTS durch das angebliche Geschäft, was er nicht auch hätte, wenn es den Erpresser gar nicht gäbe.

Aber was soll der Geschäftsmann tun? Oder die Bäuerin auf dem Markt? In der zivilisierten Welt gibt es die Marktpolizei, die es nicht zulässt, dass ein Gewalttäter der Bäuerin sagt: „Wenn du mir nicht alle Eier zu einem Minipreis überlässt, werde ich sie alle zerschlagen.“

Im Verkehr der großen politischen Gruppen, genannt Staaten, gibt es die Gewalt und Drohung als Handlungsprinzip: die Form ist Krieg oder Drohung damit. So machte es Hitler, mit großem kurzfristigen Erfolg, früher Kolonialmächte in Afrika und Indien, die Römer im Mittelmeerraum, Mongolen, Tartaren, Vandalen, Hunnen etc. – ihre Namen sind nicht ohne Grund bis heute Schimpfworte geblieben. Putins Russland tut es jetzt. Putin aber macht sich wenigstens die Mühe, eine entschuldigende Erklärung zu konstruieren: Die Ukraine sei von Faschisten beherrscht und er müsse Russland und die Welt vor ihnen schützen. Im Übrigen seien diese Faschisten in Form der NATO auf dem Vormarsch gegen Russland, und das gebe einen zusätzlichen Verteidigungsgrund.

Nach dem Ende des Zweiten und bislang verheerendsten Weltkriegs beschlossen die Führer der Weltgemeinschaft, dass Gewalt nicht mehr Mittel der internationalen Politik sein solle. Handlungen, die durch Gewalt zustande gekommen sind, sollten geächtet sein, Verstöße gegen das Weltgrundgesetz – die Charta der Vereinten Nationen – sollten durch ein Internationales Gericht bestraft werden.

Dem internationalen Vertrag, der dieses Gericht begründete, sind übrigens die USA, Russland und Israel nie beigetreten. Das Pariser Klimaschutzabkommen, dem die USA erst beigetreten, unter Trump dann ausgetreten, unter Biden wieder beigetreten, jetzt wieder ausgetreten sind, ist kein Vorbild für DT: Wo man nicht Mitglied ist, kann man nicht austreten. Er geht jetzt so weit, den Internationalen Strafgerichtshof als Teil einer Verschwörung gegen die USA UNTER STRAFE ZU STELLEN. Welche Form das haben wird, ist noch nicht klar. Die USA praktizieren Gleiches mit der Steuer- und Wirtschaftsgesetzgebung. Wer amerikanischen Gesetzen hierin irgendwie zuwiderhandelt, kann – und wird – weltweit verfolgt. Begibt er sich auf amerikanisches Gebiet, kann er verhaftet und eingesperrt werden. Wenn es den USA wichtig genug erscheint, wird er weltweit verfolgt, entführt und notfalls vernichtet. (Insoweit ist die Bourne-Trilogie keine Phantasie.) In Guantánamo halten die USA immer noch Männer gefangen, die angeblich an einer Verschwörung gegen die USA beteiligt gewesen sind. Sie sind nie vor ein Gericht gestellt oder verurteilt worden. Die Gefangenen sind politische Gefangene, die der völligen Willkür der USA ausgesetzt sind. Ihnen stehen keine Hilfsmittel zur Verfügung – auch wenn man zugibt, dass es Amerikaner gibt, die sich an diesem Unrecht stören – sie konnten nichts dagegen tun. Obama hat es versucht, als er Präsident war, aber die Republikaner im Kongress haben ihm die Gelder verweigert, die er zu brauchen glaubte, um das Straflager auf Guantánamo aufzulösen. Dies ist ein Punkt, an dem DTs Verachtung für Obama nachvollziehbar ist: Wäre DT an Obamas Stelle gewesen und hätte Guantánamo schließen wollen, dann hätte er es getan, ohne Rücksicht auf die Verfahrensregeln des amerikanischen Rechtsstaates. Denn Obama war Juraprofessor und weiß, wie wichtig Recht und Gesetz sind („Due process of Law“). Juristisch können Amerikaner nichts gegen Guantánamo tun – jedenfalls argumentieren sie so –, weil Guantánamo wohlweislich nicht auf amerikanischem Territorium liegt, sondern zu Kuba gehört. Die kubanische Regierung hätte diese Strafkolonie des Feindes gewiss gern längst beseitigt – aber die Kubaner wissen aus leidvoller Erfahrung, dass DT KEINE AUSNAHME IN DER AMERIKANISCHEN POLITIK darstellt.

1898 war Kuba eine selbstverwaltende spanische Kolonie, die USA arrangierten eine Explosion auf einem in Havanna liegenden US-Kriegsschiff, erklärten Spanien den Krieg, besetzten Kuba und Puerto Rico, und vor allem die Philippinen (um die es den USA vorrangig ging), und fühlten sich dabei auch noch im Recht, da sie durch die Monroe-Doktrin von 1823 längst die gesamte amerikanische Sphäre zu ihrem Machtbereich erklärt hatten.

Während der 1930er Jahre etablierten sie ein Marionettenregime auf Kuba unter dem Diktator Batista. Gegen dessen Regime erhob sich Widerstand, geführt von Fidel Castro, der naiv genug war, von den nach dem Zweiten Weltkrieg – nach eigenem Bekunden – friedensbereiter und demokratischer gewordenen USA Hilfe gegen den Diktator zu erhoffen. Aber jede sozialreformerische Bewegung galt den USA damals als kommunistische Verschwörung, also eine Ausgeburt der Hölle, und wegen der räumlichen Nähe als besonders gefährlich. Daher wurde das von Castro angebotene Bündnis abgelehnt. Nach Castros Sieg über Batista gaben die USA aber nicht auf: 1961 versuchten sie eine Invasion auf Kuba, die aber scheiterte. Castro wandte sich dann offen um Hilfe an die Sowjetunion, die dann Raketen auf Kuba stationieren wollte (wie die USA das im Iran, in Japan, in Deutschland, in Israel längst getan hatten).

Wie immer – wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht das Gleiche…

Was DT heute tut, den Internationalen Strafgerichtshof zur Verschwörung gegen die USA zu erklären und seine Unterstützung zum Verbrechen zu erklären, das die USA verfolgen werde, ist kein Bruch mit US-Politik, sondern nur eine besonders krasse Fortsetzung alter Traditionen. Witzigerweise weiß DT das gar nicht – und er ist gewiss stolz auf seine originelle politische Leistung.

Was das für uns bedeutet? Wir müssen endlich aufhören, die USA als die „älteste Demokratie der Welt“ zu bezeichnen. Das ist sie nicht einmal dem eigenen Selbstverständnis nach. Die Verhandlungen über die einzuführende Verfassung der USA lassen deutlich erkennen, dass die USA keinesfalls eine Demokratie sein sollten, dass vielmehr das höchste Ziel sein müsse, die Interessen des Eigentums (= der Eigentümer) zu schützen, insbesondere gegenüber dem instabilen und aufrührerischen Temperament der Massen.

Es entbehrt auch jeder Grundlage zu behaupten, Europa und die USA stellten eine „Wertegemeinschaft“ dar – wenn man nicht unter „Werten“ die Interessen des Geldes verstehen will.

Die Sklaverei wurde in den USA erst als Notstandsmaßnahme im Bürgerkrieg abgeschafft, und ihr Ende ohne Zustimmung der Südstaaten in die Verfassung aufgenommen. Tatsächlich bedeutete dies nur das Ende der rechtlichen Ungleichstellung. In der Sache verschlechterte sich die Situation der Schwarzen. Sozial, wirtschaftlich und rechtlich blieben sie bis 1967 benachteiligt. Zwanzig Jahre nach dem Ende des NS-Rassismus war Rassentrennung in den USA immer noch Gesetz in einer Hälfte des Landes. Wie immer man dazu stehen mag, dass Angehörige von ehemals rechtlich benachteiligten Minderheiten durch gezielte Maßnahmen („affirmative action“) drei Generationen später entschädigt werden sollen – Trump hat dies gerade abgeschafft, nachdem der von ihm neu zusammengesetzte Supreme Court es bereits für ungesetzlich erklärt hatte.

Die USA sind kein Rechtsstaat in unserem Sinn, sie sind auch nicht demokratisch. Sie werden von Milliardären im Interesse von Milliardären regiert. Wenn die USA das gut finden, dann haben sie das Recht dazu – aber wir sollten uns nicht dadurch erniedrigen, dass wir behaupten, diese seien auch unsere Werte.

– Hans Jürgen Höhling


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